Elbwaldsterben – Ich steh im Wald und halte Gießkannen

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Und zum Mitlesen:

Ich bin auf einem kleinen Bauernhof in Susigke bei Aken aufgewachsen. Jeder Bauernhof hatte bei uns früher ein Stück Wald in Besitz. Vor grauer Vorzeit wurden noch Schweine in den Wald getrieben, zum Mästen. Das Laub der Bäume wurde genutzt, um im Winter die Tierställe zu streuen. Der Wald hatte früher einen anderen Charakter. Und natürlich wurde das Holz zum Bauen und Heizen benutzt. Das ist heute neben Tourismus und Erholung ja eigentlich nur noch die Hauptnutzungsart. 

Als ich nun zum ersten Mal seit meiner Kindheit in unserem kleinen Waldstück stehe, sehe ich den Wald vor lauter roten Strichen nicht mehr. Jeder Strich steht für einen Baum, der gefällt wird. Eine riesige Maschine frisst gerade eine Lichtung in unseren Wald. Mir verschlägt es den Atem und ich muss mich beherrschen, nicht loszuheulen. Der Anblick war wirklich heftig. Ich hatte eigentlich keine Ahnung von Wald.

Seitdem frage ich mich, was der Grund für massenhaftes Baumsterben bei uns ist. Ich hab viel dazugelernt, jede Antwort wirft aber wieder neue Fragen auf. Das Thema Wald ist so komplex, und so auch die unterschiedlichen Lösungsansätze. Die Fronten zwischen den verschiedenen Akteuren total verhärtet. Bei alledem gibt es aber eine Gemeinsamkeit, ein großes Überthema, bei dem sich auch die verschiedensten Lösungsansätze einig sind: den Klimawandel. 

Die sich rasant ändernden klimatischen Bedingungen sind der Katalysator der waldbaulichen Fehler der Vergangenheit, und der schon immer vorhandenen Schädlinge. Ich stehe in unserem Wald und kann im Zeitraffer beobachten, was Klimawandel eigentlich bedeutet. Es bedeutet, dass unsere Kiefern durch die zu trockenen und heißen Sommer seit 4 Jahren nicht mehr in der Lage sind, genug Harz zu produzieren. Das Harz brauchen unsere Bäume aber, um damit zum Beispiel einen Borkenkäfer, der den Baum anknabbert, einschließen und abwehren zu können. Da in der Vergangenheit fast ausschließlich Nadelwald-Monokulturen angepflanzt wurden, bedeutet das jede Menge Futter für den Borkenkäfer. Diese süßen Käfer vermehren sich leider dreimal im Jahr und außerdem noch exponentiell. Dabei ist der Borkenkäfer eigentlich nichts Neues, in den Balken meines 120 Jahre alten Hauses sind seine Fraßspuren auch zu finden. Unser Verhalten hat ihn nun aber zu einer existenziellen Bedrohung werden lassen. So stehe ich in unserem Wald, fernab vom nächsten Fluss, und in meinen Händen halte ich Gießkannen.

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