Eine Geschichte zum Anhören.
Und zum Mitlesen:
Es gab schöne und gefährliche Dinge während unseren Ferien auf dem Schiff. Mein Vater ist viel an der Ostsee im Küstenbereich und zu den Inseln gefahren. Bei starkem Wind war das gefährlich. Das Schiff bog sich und die ganze Familie musste Rettungswesten anziehen und wir Kinder mussten von unserem Schlafplatz vorne bei den Lehrlingen in das Steuerhaus umziehen. Mutti hat vorher die Papiere zusammengepackt. Ein Schiff, das biegt sich in ganzer Länge, nach oben und unten. Da kann man richtig zusehen.
Es gab aber auch schöne Erlebnisse. Zum Beispiel werde ich eins nie vergessen. Ich war so zehn, zwölf Jahre alt. Mein Vater hatte einen Lehrling, der verschiedenste Instrumente spielte. Von Gitarre, Schlagzeug zu Akkordeon, Trompete… In Dresden gab es dann einen großen Hafen, den Alberthafen. Sein Schiff stand abends im Hafen und es wurde Feierabend. Und über der Hafeneinfahrt ist eine wunderschöne, filigrane Eisenbahnbrücke aus Stahl. Und dort drüber ging die Sonne unter, in Rot. So Postkarten-Idylle. Wie gemalt und eigentlich gibt es das in der Natur gar nicht. Und in der späten Abendstunde geht der Lehrling nach vorne. Er stellt sich vorne aufs Schiff wie bei Titanic. Und spielt mit der Trompete das Lied „Es ist Feierabend“. Und durch die Akustik da drin war das gewaltig. Ein Wahnsinns Hall und Echo. Damit hat er den ganzen Hafen lahmgelegt. Kein Kran hat sich mehr bewegt, Hafen-Loks blieben stehen, kein LKW fuhr mehr, die anderen Schiffer kamen raus und schauten, was da passiert. Alles Beladen wurde gestoppt. Und der Lehrling hat da vorne gespielt. Und mein Vater konnte 20 Jahre später dorthin kommen und wurde gefragt: „Alfred, hast du den Jungen noch an Board, der damals Trompete gespielt hat?“